59. Wandertag

Auf dem Weg von Sarria nach Portomarín. Galizien ist immer noch frisch und grün, Himmel bewölkt bei sagenhaften 17 Grad Celsius (1. November). Gestern hab ich mich bewusst von der Mädelsgruppe abgesetzt und bei zwei kühlen Bieren einen Hamburger mit Ei und Speck gegessen. Himmlische ruhige Stunden. Dazu noch eine lange Nachricht an meine kanadischen Freunde geschrieben. Ich habe mich dann gefragt, ob vielleicht etwas mit mir nicht stimmt, weil ich so oft die Einsamkeit suche, hab diesen Gedanken aber wieder verworfen. Gestern hat sich die Einsamkeit einfach zu gut angefühlt. Und da kommen auch wieder die Zeiten, in denen ich der Einsamkeit entkommen will und wieder engere Gesellschaft suche. Wie immer kommt es natürlich auch auf die Leute an. Das ist ganz situationsabhängig. Gestern jedenfalls war ein sehr guter Tag. Ich hab nachmittags eine Stunde und in der Nacht weitere 9 Stunden geschlafen. Heut morgen bin ich aufgewacht und hab auf die Uhr geschaut, da war es 4 Uhr noch was. Dann hab ich mich gewundert, warum so viele Leute auf Klo gehen mussten und als ich noch mal auf die Uhr geschaut hab, war es schon 7 Uhr. Hab gar nicht mitbekommen, dass ich dazwischen für fast 3 Stunden wieder eingeschlafen war.


Zumindest jetzt würd ich sagen, es spielt gar keine Rolle, ob ich in Gesellschaft oder alleine in Santiago ankomme und auf diesem Platz stehen werde. Ich fürchte mich, im Gegensatz zum letzten Mal, nicht vor der Einsamkeit.


Eben wieder ein bisschen Französisch geschwätzt mit Remy (29 Jahre alt), dem Akkordeonspieler. Hat ein Jahr und drei Monate in Deutschland gelebt und war orchestermäßig unterwegs. Ich glaub, in der Nähe von Freiburg. Le pay est beaux. Pluie = Regen, défi oder so ähnlich = Herausforderung. [Neige = Schnee, nager = schwimmen.] Der Schwatz war dann doch recht kurz, weil er an einem Essensstand (donativo) abgebogen ist und sich zu dem Belgier mit den Armbändchen gesetzt hat. Mais peut-être à tout-à-l'heure.


Les noch mal »Arbeit und Struktur« von Wolfgang Herrndorf. Als erstes fällt mir auf, dass er sehr präzise schreibt, als zweites hat er einen Humor, da könnt ich mich wegschmeißen. Ist mir vom ersten Mal gar nicht in Erinnerung geblieben. Nur unsere Meinungen über Günter Grass gehen auseinander, aber das ist schon okay. Proust hat er übrigens auch gelesen.

 

Zurück zu 58. Wandertag               Vor zu 60. Wandertag