23. Wandertag

Wahrscheinlich werd ich heut vom Blitz erschlagen nach dem, was ich gestern da schon wieder geschrieben hab. Aber erste halbe Stunde läuft sich noch gut durch. Auf dem Weg von Condome nach weiß ich noch nicht. Um Unterkunft muss ich mich noch kümmern. Wenn es nicht gut läuft, muss ich die 33 noch was Kilometer bis nach Eauze durchlaufen. Vorhin wieder aufmunitioniert (eine Baguette-Stange, 150 g Käse, eine Tomate und eine Banane). Hier ist einfach nix los. Deshalb wiederholen sich meine Einträge auch andauernd. Höchstens vielleicht, dass ich den Weg angenommen habe, wie auch immer er sein wird. In guten wie in schlechten Zeiten bilden wir ein eheartiges Gebilde. Gestern wieder ein Kapitel im Französischbuch gelesen. Wenn das mal gut geht! Bis jetzt habe ich viele Dinge verstanden, aber vielleicht ist das auch nur Zufall. Ich zittere der Seite entgegen, wo es mich raushaut und ich nichts verstehe. Dann war es das gewesen mit den großen Ambitionen. Den zweiten Teil des Buchs hab ich mir in einer kleinen Buchhandlung in Condome nun auch zugelegt. Der Buchhändler blinzelte mich hinter seiner Brille ganz verdutzt an, wie ich da mit meinem Riesentornister ganz spackig in der Tür stand. Dann aber erklärt, was ich haben wollte und innerhalb von drei Sekunden hat er das Buch aus einer unscheinbaren Ecke in dem Laden zielsicher herausgegriffen. Wie selbstverständlich mir ausgehändigt. 5 Euro noch was. Und passt. Der Mann verstand sein Handwerk. Die Farbe seiner Brille kann ich jetzt zwar nicht mehr herleiten, aber das Blinzeln, Ausdruck seiner neutralen Fachkompetenz, bleibt in Erinnerung. Dann noch im französischen Restaurant für 20 Euro (inklusive Trinkgeld) richtig geiles Menü abgegriffen. Mit Bier und Panna Cotta mit Marmelade. »Le Balcon« neben der Kathedrale. Kann man mit gutem Gewissen empfehlen. Ich seh zu meiner rechten Seite schon den kabbeligen Atlantik tosen. Aber da greif ich zu weit vor. Erwartung lässt grüßen. Und dann gestern noch durch einen Kreuzgang neben der Kathedrale flaniert. Allein mit sich umfassenden Händen auf dem Rücken. Dann war da noch der Hinterhof einer Anwaltskanzlei, wo im ersten Stock noch das Licht der Röhrenlampe brannte. Es ist ein gutes Gefühl, wenn man Kenner seines Fachs ist. Die Anwaltstätigkeit hat auch schon Spaß gemacht. Gern erinner ich mich noch an mein »Abschlussplädoyer« gegen Herrn Knobloch vor Richter Schröder. Und dann: Eine Abmahnung unwirksam, eine Abmahnung wirksam. Stolz wie Bolle. Wie hieß der Fall noch mal? Dürfte R. ./. SHW gewesen sein. Französisch muss Arbeitsrecht nicht ausschließen. Ich will Dinge lernen, die mir Spaß machen.

 

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