17. Wandertag

Haben gestern in der Nähe von Lascabanes geankert und sind nun auf dem Weg nach Lauzerte. Diese Hündin Edith (vom holländischen Gîte-Gevatter Hans) gestern ein Goldstück. Die ganze Zeit an meiner Hand geleckt. Der Rat von Hans, um französisch zu lernen: Finde ein französisches Mädchen. Schätze, das ist leichter gesagt als getan. Ansonsten lauf ich mal wieder den beiden Kanadiern hinterher. Ich halte vielleicht 15 Minuten ihr Tempo mit, dann fall ich zurück. Jeder halt nach seiner Art. Aber sie sind wirklich nett zu mir. Ich genieße aber um so mehr die Zeit, in der ich alleine bin. Alles viel ruhiger und entschleunigter. Es macht mir Spaß, neue französische Wörter aus Unterhaltungen herauszupicken. Organisches Lernen. Ja, das ist mein Tagesablauf. Wandern, französisch lernen, essen. Vermiss ich die Heimat? Nein. Ist ja auch erst der 17. Wandertag. Ich habe keine Erwartungen, die über ein hoffentlich gutes Essen und ein kaltes Bier hinausgehen. Ich kann auf französisch jetzt auch Steigerungsformen und Minusrechnung. Viele kleine Dinge zurzeit.


Jetzt wieder seit einigen Stunden das Gefühl, am Anfang zu stehen. Wenn ich versuche, mir mein ganzes zukünftiges Leben vorzustellen, sehe ich da nicht viel und hauptsächlich Ödnis, Tristesse, Langeweile. Ich weiß, dass ich versuchen sollte, nur auf den nächsten Schritt, den nächsten Tag zu achten. Aber es geht grad einfach nicht. Vielleicht bin ich auch einfach nur müde. An Gott denke ich grade nicht häufig. Eher gar nicht. Vielleicht hilft es, das alles niederzuschreiben. Aber diese Gedanken habe ich schon, solange ich zurückdenken kann. Alles nur Kreis. Und wo scheinbar ein neuer Anfang ist, ist da doch nur wieder der Alte. Als könnt ich diesem finsteren Tal nicht entkommen, egal, was ich auch versuche. Wie füll ich nur dieses Loch, das kurz hinter meinem Bauchnabel beginnt? Hier liegt auch viel Einsamkeit auf dem Weg. Vielleicht wäre der Ballermann doch die gesündere Alternative für mich.


Vielleicht seh ich die ganze Sache aber auch zu ernst und ich sollte mich lieber mit Bier und Wein volllaufen lassen. Ach, Julie.


Alles gleitet vor sich hin. Unberührt von Zeit. Warum nur bin ich, wie ich bin, und geworden, was aus mir geworden ist? In allem liegt eine Kraft, vor allen Dingen aber in dem einen leichten Moment, den man »Jetzt« nennt. Mit dem Geist nur im »Jetzt« und nicht im »Eben« und nicht im »Gleich« lässt es sich wohl leben. Wieder Felder, erst links, dann rechts.

 

Zurück zu 16. Wandertag               Vor zu 18. Wandertag