67. Wandertag

Auf dem Weg von Finisterre nach Muxia. Zunächst einmal: Mach's gut Steffi. Mach's gut, Yanga. Was auch immer ihr da machen werdet. Dann heut morgen noch mal in der Bar gefrühstückt, die ich letztes Mal als zweitschlechteste Bar auf dem ganzen Weg beurteilt hatte. Unangenehme Erinnerung an einen viel zu lauten Wirt, Fliegen und einer Runde auf dem Scheißhaus, wo ich erst danach feststellte, dass nur noch ein einziges, unfassbar dünnes Blatt Klopapier vorhanden war. Ist mir dieses Mal gar nicht aufgefallen, weil ich aus einer anderen Richtung kam. Erst als der Bus nach Santiago auf der gegenüberliegenden Straßenseite Halt gemacht hat, die Erkenntnis: Moment mal. Den Laden kennst du doch. Da war ich aber schon mit Toast und Kaffee zu Gange. So schlecht war es diesmal gar nicht. Die Wahrnehmung ändert sich auch. Ansonsten, weil vergessen, zu erwähnen: Ich hab gestern und heute wieder das Krächzen der Möwen gehört. Küste halt.


Gestern hab ich auf dem Weg übrigens auch ein bisschen die Dance-Moves ausgepackt. Eine Ode an die Jugend. Allerdings hatte ich mich vorher jedes Mal umgeblickt. Nicht, dass jemand zuguckt.


Es ist einfach ein Unding, das ich so nicht stehen lassen konnte. Noch mal »Hey Brother« von Avicii bis zum Anschlag aufgedreht und ab, Hände in die Höhe. Diesmal ohne Schulterblick. Kann doch nicht wahr sein, dass ich ständig 'ne Schranke eingebaut hab.


Eben ist mir Spencer aus Montana von Muxia entgegengekommen. Läuft heut nach Finisterre und dann will er von Santiago aus noch den Camino Portugues in Angriff nehmen. Hat noch rasch ein Abschiedsfoto von uns beiden gemacht.


War mir gar nicht so bewusst, dass »Nur ein Wort« von »Wir sind Helden« so ein geiles Lied ist. Gleich zweimal auf Youtube in einem Restaurant zwischen Finisterre und Muxia durchgehört und dabei immer wieder zurückgespult, um alles mitzukriegen und zu durchdenken.


Und dann muss ich mir natürlich unbedingt noch mal den Film »Joker« mit Joaquin Phoenix angucken. Vorschau schon 20 Mal rauf- und runtergedudelt.


Und dann, unter dem geräuschvollen Schwung der riesigen Windräder, ist man doch ein wenig traurig, dass nun alles zu Ende geht. Ich geh recht langsam und bleib oft stehen, beobachte, wie sich die Windräder drehen.


Und dann in Muxia noch mal wiederholt: Bier gezischt, »Knockin' on Heavens Door« gehört und dann auf den Felsen bei der Kirche gestellt und auf's Meer geschaut. Funktioniert immer. Ob jetzt am Atlantik oder an der Ostsee. Einfach mal ausprobieren. Echt geile Idee von Yanga. Sehe hier im Übrigen gerade im Fernsehen die Feier zum 30. Jubiläum des Mauerfalls. Stimmt, da war ja was. Ach so, etwas ist mir dann aber doch aufgefallen, als ich so am Meer stand: In Gesellschaft wär's noch mal geiler gewesen. Ansonsten emotional stabil. So ganz geschluckt hab ich es wahrscheinlich noch nicht, dass heute letzter Wandertag war. Hier in der Albergue bin ich nun gefühlt allein, mal abgesehen von dem verrückten bierbäuchigen deutschen Nachbarn, der hier wohl regelmäßig vorbeischaut. Doch irgendwie schade. Der nüchterne Teil sagt aber: Drauf geschissen. Da waren so viele geile Tage in Gesellschaft dabei. Man muss ja auch das Gesamtpaket würdigen. Ich muss grad an Georg denken, als er damals im Restaurant (2. Teil des 1. Camino) 'ne Flasche Wein allein geleert hatte, während er in sein Tagebuch geschrieben hatte. Hab ihn an unseren Tisch gewunken. Hat sich mehrmals entschuldigt, dass er lallen würde. Mir war überhaupt nichts aufgefallen. Im Gegenteil: Mit einer Flasche vino tinto intus hervorragend über die Bühne gebracht. Auf Georg!


Man muss sich auch wieder der Arbeit widmen. Auch darin kann man Bereicherung finden.


Und dennoch: Vielleicht ist es wieder Zeit für ein neues Abenteuer.

 

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