66. Wandertag

Auf dem Weg von Olveira entweder nach Finisterre oder nach Cee. Baumbestand wird immer größer. Fast nur noch bewaldete Hügel anzutreffen. Gestern meinte Yanga zu mir, als wir bei Bier und Wein und Tagesgericht darauf zu sprechen kamen, dass ich im Gehen schreibe: »You are going to be succesful.« Gerne, gerne. Was das Schreiben anbelangt, habe ich ja schon eine Art breites Fundament angelegt. Nach außen hin kommt das ja nur bruchstückhaft zu Tage. Aber ich kann mich nicht beklagen: Ich hab immer gut zu tun und Werbung liegt mir einfach nicht. Irgendwo hab ich mal gelesen, dass ein Autor 10 Jahre in seinem dunklen Kämmerlein tätig werden muss, bis er veröffentlicht wird. Ich bin jetzt schon seit 17 Jahren dabei. Der Wunsch, in einem renommierten Verlag veröffentlicht zu werden, scheint mir so abstrakt und ungreifbar, dass ich Vorbehalte habe, ihn hier konkret ins Büchlein reinzuschreiben. Vielleicht liegt es auch an der Ahnung, dass sich danach nicht großartig was ändern würde. Dann kriegst du halt deine 3-5-Tausend Euro aufs Konto, kannst natürlich ein schönes Hochgefühl erleben, aber danach machst du wieder genau dasselbe wie jetzt. Das wäre dann das Schreiben.


Wunsch für heute: Wunschlos glücklich.


Ich hab das unbestimmte Gefühl heute, dass Finisterre für mich emotional das Ende sein wird. Wenn man von den Leuten wissen will, warum Muxia so viel geiler ist: »Ist größer.« »Ist besonders schön.« Aber es ist verdammt noch mal nicht das Ende der Welt.


Eben noch mal mit Yanga gesprochen. So ein lustiger Kerl. Will sich in Finisterre ans Meer setzen und Wein oder Wodka trinken. Warum? Weil er die Endszene von »Knockin' on Heavens Door« so geil findet. Wenn Till Schweiger das wüsste, dass ein Südkoreaner den Camino wegen dieser Szene so verlassen will. Morgen muss er zurück. Ich hoffe, er schafft es heut noch bis zum Sonnenuntergang nach Finisterre.


Eben kurz vor dem Ortseingang Sardineiro im Atlantik gebadet. Erst nur bis zu den Knien ins Wasser. Dann aber gedacht: Scheiß drauf. Alles runter bis auf die Unterbüx. Dann Attacke. Wer 1600 km zu Fuß zurückgelegt hat, dem macht auch die Kälte (13 Grad Lufttemperatur) und diese läppischen Wellen nichts aus. Erkältung auch völlig wurst. Für meine Verhältnisse ganz schön schnell drin. Kopf unter Wasser, mit den Fäusten aufs Wasser geschlagen und dann Arme in die Höhe. Jubelschrei. Himmlisches Gefühl. König der Welt. Ein paar dekadente Bahnen geschwommen: Du, Atlantik. Was willst du mir bitteschön anhaben können? Im Nachhinein hätt ich aber noch 5 Minuten länger drin bleiben können. Aber nützt nichts. Nachher bei Sonnenuntergang will ich noch 3 Budweiser beim Leuchtturm wegzischen. Bis dahin noch 8 km. Wobei ich mich an dieser Stelle nun wirklich nicht beklagen will. Unterdessen Unterbüx zum Trocknen auf den Rucksack geschnallt.


Komm schon. Bierchen, Kekse. Mehr will ich nicht. Die »2 km« bis zum Leuchtturm hatt ich kürzer in Erinnerung.


Da sitz ich hier am Ende der Welt und denk mir: Geile Idee eigentlich von Yanga. Machst mal »Knockin' on Heavens Door« an. Aber kein Internet hier. Naja, muss ich halt selbst flöten.


Was schreibt man so im erlöschenden Licht des Tages? Am besten gar nichts.


Ich sitz hier nur und denke mir: »Ja, kann man mal machen.« Und muss mich tierisch beömmeln. 1600 km. In der Tat. Könnt man mal machen, wenn man Bock hat.


Und jetzt muss ich auch noch dran denken, wie Malte in der 10. Klasse versucht hat »Knockin' on Heavens Door« im Musikunterricht nachzusingen. Das Unmelodischste, was man jemals gehört hat. »High, high, high, high, high, high, high.« Noch Jahre später haben wir uns darüber weggeschmissen.


Nichtsdestotrotz ein wunderschönes Wolkenspiel hier. Schöner Moment.


Doch noch Internet. »Knockin' on Heavens Door« gehört. Doch noch gutes Ende. Mit Musik ist im Übrigen eh alles geiler. Die 3 Bier jetzt weg.

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