Offiziell 56. Wandertag

Ca. 3 Uhr morgens in Villafranca del Bierzo schlaflos in einer wunderbar sauberen Herberge. Ich entscheide mich jedes Mal aufs neue, von den Menschen Abschied zu nehmen. Der Camino scheint nichts anderes als die Geschichte meiner Einsamkeit zu sein, mal selbst gewählt, mal nicht. Gestern gab es da unten in der Bar einen meiner schönsten Momente. Ich saß bestimmt über eine Stunde neben Adriana auf dem Barhocker und hab nicht ein Wort gesagt. Es war magisch, ihnen beim Spanischsprechen zuzuhören, zu fühlen, wie ein spanischer Alltag sein könnte. Ich hab mich strikt davor gehütet, das Gespräch durch irgendeinen blöden Small Talk zu unterbrechen. Ich hab ganz leise gehustet und das Bierglas mit einer Vorsicht abgestellt, nur um den Moment nicht zu unterbrechen. Das hatte schon was. Ich für meinen Teil hab mich zugehörig gefühlt und war glücklich darüber, dass andere so viel Freude hatten. Aber wieso will ich dann wieder Abschied nehmen? Ich für meinen Teil kann in Frieden mit Adriana auseinander gehen. Oder ist die Zeit zum Abschied doch noch nicht gekommen?


Und heute dann den Berg nach O Cebreiro hoch. Das wird noch einmal eine Tour de Force. Hoffentlich halten die Sohlen. Aber auch interessant, mit anzusehen, wie die Frauen nach einer geilen Nacht ticken. Herrje, die erzählen sich ja wirklich alles.


Eben noch bei Cafe con leche und Zumo Halt gemacht. Jetzt muss die Kondition halten. Sicherheit und fehlender Zweifel schafft inneren Frieden.


Eben Ji Su in Pereje vor einem Café wiedergetroffen. Er wandert jetzt mit seinem Mädel. Auch er sieht glücklich aus. Alles in allem ist das ein guter Tag. Wenn ich Adriana heut morgen richtig verstanden hab, so hat sie gestern Nacht einen Typen abgeschleppt. Richtig abgeschleppt. Auch das sei gegönnt. Ich kann mit ihr in Frieden auseinander gehen. Und immerhin hatte ich gestern wegen ihr einen meiner glücklichsten Momente. Ich glaub, ich gönn mir erst mal ein Kippchen.


Heute sehen ja wirklich alle so glückllich aus.


Herr, wenn ich heute einen Wunsch frei hätte, dann wünsch ich mir, dass meine Beine nicht vor O Cebreiro schlapp machen.

 

Zurück zu 55. Wandertag               Vor zu 57. Wandertag