55. Wandertag

Auf dem Weg von Ponferrada nach Villafranca del Bierzo. Gestern wieder nicht die Templerburg von innen gesehen. Some things are just not meant to be. Aber ehrlich gesagt ist mir das auch ziemlich wurstig. Eine Frage beschäftigt mich viel mehr: Wie kriegen die Leute das hin, scheinbar einfach so glücklich zu sein, ohne Erwartungen an den Tag zu stellen? So völlig planlos in Selbstvergessenheit und ohne an 3 Stunden später zu denken? Wie kann man so ein leichtes Leben führen? Und wie zur Hölle kriegt man so ein gottverdammt großes Selbstbewusstsein zu Stande? Das ist mir einfach unbegreiflich. Mich bringt schon die geringste doppelt zu deutende Situation aus dem Konzept und ich fang an, rumzueiern. Dass ich die Sache mit Adriana verkacke, erscheint mir bereits jetzt als ausgemachte Sache. Das fängt alles haargenau so an wie beim letzten Mal. Serafin, der die Sache schon als eingetütet ausmacht, genau wie damals Paul bei Sam aka Pleun. Also noch mal: Wie kriegen die Leute das hin, glücklich zu sein? Das erscheint mir nach wie vor so schleierhaft. Der Kontrast zu mir ist dabei noch viel komischer. Mir geht da so jede Leichtigkeit ab. Geradezu bewunderswert. Ich komm ja schon ins Schwitzen, weil ich nicht weiß, ob ich Adriana nun Adriana oder Adri nennen soll. Lustig, da haargenau dieselbe Problematik wie bei Sam/Pleun. Und ich Spacken frag dann noch, ob die heute kochen wollen und stell damit noch mal heraus, dass ich stocksteif wie Schlagsahne bin. Ungewollte Wahrheit. Naja, heut Abend werde ich unter Garantie wieder rumeiern wie ein Weltmeister und dastehen wie bestellt und nicht abgeholt. Aber auch hier kommt mir der Verdacht, dass Alkohol vielleicht nicht die beste aller Lösungen sein wird, aber ja: Alcohol it is. Auch geil, wenn das meine Camino-Erkenntnis sein soll. Lirum, larum. Mal gucken. Ansonsten noch erwähnenswert: Adriana hat gestern in einer Tankstelle Tortilla und Baguette für einen Obdachlosen gekauft. Das war doch so ziemlich das Netteste, was ich bisher auf dem Camino erlebt habe. Ich würd mich gar nicht trauen, sowas zu machen. Aber auch so: Jeder ist auf diesem Camino doch so sehr mit sich selbst beschäftigt und was er mit seinem Leben machen will (ich inklusive), dass vielleicht die größte Errungenschaft hier darin besteht, dem Tischnachbar ein bisschen vom Thunfisch oder vom Olivenöl abzugeben. Da kriegt man glatt das Gefühl, man macht doch etwas Grundlegendes falsch.

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