51. Wandertag

Auf dem Weg von León nach San Martin del Camino. Die Stimmung schwankend. Heut fehlt mir der Elan. Heut morgen jedoch einen schönen Gang von León im Dunkeln gemacht. Eine schöne Stadt, wie ich dieses Mal finde. Die Basilika mit den fein gemalten Altarbildern war schon allerhand. Aber die Kathedrale hat mir sogar besser gefallen als die in Burgos. Feine und präzise Steinmetzarbeiten, wunderschön herausgemeißelt und gewaltig in der Größe. Dazu der Chor mit den schön geschnitzten Stühlen aus dunklem Holz. Hohe, ganz hohe Fenster aus Buntglas. Und das alles in der Abenddämmerung hatte schon etwas Weihnachtliches. Abends gab es dann noch Wermouth und Tapas, soviel man sich nur wünschen konnte. Habe mich ganz lustig mit Adriana unterhalten. In den braunen Augen kann man glatt versinken. Dazu hab ich mich noch mit Serafin aus Deportivo la Coruna, Galizien, unterhalten. Erik kam irgendwann auch noch dazu. Das ganze riecht wieder nach Frauengeschichten. Nur ehrlich gesagt wird das wieder kompliziert. Ich hab da einfach keine Lust mehr drauf, sondern ich will frei meinen eigenen Weg gehen. Nur die Einsamkeit nervt daran.


Aber, großes Aber: Ich versuch, mir meine Neugier zu bewahren.


Mein wahres Ich sagt nie einen Ton, hört sehr gerne zu und will ein friedliches Leben, in dem auch die anderen glücklich sind.


Da schickt mir der Paul, nach verpasstem Anruf, doch glatt 'ne Sprachnachricht. Oha, der hat zwar extrem auf die Biertube gedrückt, aber – vielleicht auch gerade deswegen – ein fabelhafter Kerl. Wie beantwortet man denn noch mal Telefonanrufe? Vielleicht ist das der Alkohol, aber er fehlt doch hier reichlich.


Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie er versucht hat, dem ungarischen Jungen englisch beizubringen. Ein Pfundskerl, ich will es ja gar nicht abstreiten. Nur dass seine Frau sein Schnarchen angeblich nicht hören würde, ist natürlich Humbug vom Feinsten. Wenn sie das behauptet, kann ich nur sagen: Paul, stick to your wife, man! Wer 24 Ehejahre dieses Lügenkonstrukt aus Rücksicht auf Gefühle aufrecht erhalten kann, der ist an Wert nicht zu unterschätzen.


Und was heute gilt, gilt morgen auch noch: Hab ein bisschen Gottvertrauen. Alles wird reißen, alles wird brechen, alles wird vergehen. Aber ich sitze hier und vertraue. Und wenn ich das nicht schaffe, dann will ich es doch wenigstens versuchen.


Auch wenn ich alleine bin. Immerhin hat die Albergue Weintrauben satt.

 

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