34. Wandertag

Auf dem Weg von Roncesvalles nach...mal gucken. Noch nichts vorgebucht. Ist ja schließlich auch Spanien. Ich bin immer noch sehr zufrieden mit meiner Entscheidung, den Camino Frances zu gehen. Neue Leute getroffen, oder neue Mädels getroffen, sollte ich eher sagen: Sam und Laura. Alles noch mal aufgewühlt. Zu frisch, um darüber zu schreiben.


Also: Richard. Ich vermisse ihn jetzt schon. Unvergessen sein Joke mit dem Mann, der sich selbst den Arm wieder annäht. Dann: Einen Daumen hoch, den anderen Daumen runter. Jetzt dürfte ich langsam die Stelle passieren, an der der Engländer mit den langen Dreadlocks das letzte Mal links ins Gebüsch gepieselt hat. Remarkable moment. Außerdem ein einziges Sprachenwirrwarr hier an der Grenze: Deutsch, englisch, französisch, spanisch. Aber genau das will ich ja. Kolonnen von Pilgern stürmen den kleinen Lebensmittelladen. Gute Knete hinter Roncesvalles. Eieiei, die Mädels. Und Paul dazwischen. Was ist das Rezept, nicht hin- und hergerissen zu sein? Vermischung super. Bei Trennung steh ich da wie bestellt und nicht abgeholt. Andererseits gibt es auch größere Probleme auf dieser Welt. Aber da geht was. Das spüre ich. Und ehrlich gesagt: Auch wenn es mich die Nacht wachgehalten hat, ist es doch ein wunderbares Gefühl von Aufgeregtheit, dann aber auch angenehme Ruhe danach. Meine Güte. Tränen in der Kirche bei Sam! Und dann nach 3 Minuten haben wir sie sofort rausgeholt und in die Bar zum Feiern geschleppt. Was für ein Wirrwarr. Muss doch eigentlich einzigartig gewesen sein für sie. Auf jeden Fall ein lustiger Moment.


Ich hab das Gefühl, ich werd auch immer mehr wie Yves: Irgendwann alles wurstig. Vor anderen blank ziehen: Gar kein Problem. Ab einem gewissen Punkt muss man da auch gegensteuern.


Französisch-Bemühungen sollten auch unter keinsten Umständen nachlassen. Nicht gleich alles in den Wind schießen. Mit Ruhe Entscheidungen treffen.


Zubiri ist es dann geworden. Ganz schön platt nach der Sauftour gestern Abend. Da ist aber auch kein Ende in Sicht. Keine Frage, dass ich Paul vermissen werde. Guter alter Partygänger. Ja nun. Jetzt in einer Albergue mit Sam, Laura, Julia und Sophie. Ich muss einfach lockerer werden, wobei das auch nicht besser wird, wenn mir jemand beim Schreiben zuguckt. Auch wenn durchwachsener 2. Tag mit Sam, tausend Mal – zumindest aber beachtlich – besser als mit Marzia.


Eben die alten Stätten in Zubiri besucht. Das Restaurant »Valentin«, hinter der Brücke linker Hand, in dem wir am nächsten Morgen vor dem Marsch gefrühstückt hatten. Den Platz hinter der Brücke rechter Hand am Ufer des Flusses, wo wir ein paar Bier getrunken und Essen ausgetauscht hatten. Und dann natürlich auch die Brücke selbst, über die Karen aus Jamaika eines Abends stolz in die Stadt marschiert ist. Ich habe mir vorhin vorgestellt, wie es für sie gewesen sein musste, als sie die Brücke fast überquert und dann nach rechts zu uns ans Ufer geguckt hat. Dann natürlich noch das Restaurant an der Hauptstraße, in dem wir zusammen saßen und ich Bocadillo mit Wurst gegessen hatte. Alles furchtbar interessante Orte und es macht Spaß, sich an die Einzelheiten zurückzuerinnern. Wirklich faszinierend, wie sich die Ereignisse an denselben Orten überschneiden und ich sie wie mit einer Schablone zusammenfüge. Ich hab im Übrigen das Gefühl, hier will mir alles gelingen. Man muss den Menschen hier Zeit und Ruhe geben. Das will ich heute einmal versuchen. Und dann geht's nachher noch mit Sophie ins »Valentin« zum Abendessen. Ich muss einfach nur ich selbst sein.

 

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