27. Wandertag

Auf dem Weg von Pimbo nach Uzan. Eben das erste Mal das Pyrenäen-Gebirge gesehen. Hatt ich gar nicht im Kopf, dass das jetzt langsam kommen müsste. Ich ging um die Ecke und voilà. Die Grate, zackige Umrisse, ein – aus der Ferne – kleiner Hügel, der einsam für sich steht. Dahinter das Land Mordor und der Schicksalsberg... Aber jedenfalls ein erhabenes Gefühl. 600 km hab ich zumindest schon abgelaufen. Eher 650 km. Diese schönen Umrisse, noch unscheinbar am Horizont und weit entfernt. Aber ein mächtiges, gewaltiges Gebirge, das man respektieren sollte. Da marschiert man nicht einfach so drüber oder entlang. Was für 'ne geile Wanderung! Ich liebe diese Stunden morgens, wo die Sonne noch scharf von links scheint. Das Zwitschern der Vögel. Da ist wieder dieser Urzustand im Jetzt. Sämtliche Erwartungen sind abgeschleift und man lebt einfach in den Tag hinein. Ein Rhytmus im Kleinen. Sicherlich mit Entbehrungen, aber es ist auch ein einfaches Leben. Ich freu mich schon, immer weiter an das Gebirge heranzukommen. Und dann muss man einfach sehen, welchen Weg man nimmt. Hängt auch viel vom Wetter ab. Aber beim GR10 hab ich wenigstens Kartenmaterial, Höhenmeter, Infrastruktur und Telefonnummern. Aber da muss man auch zwei Klöpse von Bergen besteigen. Ansonsten gestern gut gegessen, dazu zwei Armagnac und ein alter französischer Gevatter mit Hut und Halstuch hat uns die Geschichte seines Dorfes, Pimbo, zum Essen begleitend erzählt. Das war schon richtig gut. Ich liebe ja alte Geschichten, auch wenn sie nur auf französisch sind. Das war so richtig angenehm. Ansonsten hab ich zwischendurch allerhand Kattun zu verzeichnen. Bei jeder Bö hageln die Eicheln über unseren Köpfen herab. Ich geh unter den Eichen durch und es trifft mich oder trifft mich nicht. Reinste Wahrscheinlichkeitsrechnung. Wenn das allerdings Granatbeschuss gewesen wäre, oder sagen wir, umherirrende Schrapnellteile, dann wäre das eine direkt mittig in meinen Schädel eingeschlagen und das andere hätte Elle und Speiche des rechten Unterarms durchschossen. Wahrscheinlichkeit und Gleichgültigkeit, da kein Entkommen. Was muss das für ein Gefühl in den Schützengräben gewesen sein? Befehl von oben, Befolgung und Tod da unten. Das Soldatentum im Krieg muss etwas völlig Abgeschnittenes von und Unvereinbares mit dem Leben der restlichen Bevölkerung haben.

 

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