9. Wandertag
Unterwegs von Conques nach Livinhac-le-Haut. Gestern war der bisherige Höhepunkt meiner Reise.
Hinter Conques grad den Anstieg meines Lebens hinter mir. Auf halber Strecke konnte man die Glocke der Kapelle läuten, um Bescheid zu geben, dass man die Hälfte geschafft hat. Versucht, zu läuten wie ein Wahnsinniger. Kam aber nur dissonantes Gegurgel raus. Jedenfalls, wie gesagt, gestern Höhepunkt der Reise bis jetzt. Nach dem Essen Gottesdienst in der großen Kirche. Gefühlt alle Pilger versammelt. Und ich vor versammelter Mannschaft einen Teil der Predigt auf deutsch gehalten. Hatte bis zuletzt keine Ahnung, wozu ich da eigentlich meine Zustimmung erteilt hatte. Große Heiterkeit und Herzklopfen. Aber ich hab das geschafft und noch viel mehr. Ich hab meine Wäsche mit der Hand gewaschen und trag sie heute am Rucksack hinten zum Trocknen. Ich hab mein Mittagessen für heute eingekauft, sodass ich keinen Hunger leide. Ich hab auf französisch meine Herberge für heute gebucht. Ich hab das alles alleine geschafft, obwohl es mir gestern wirklich nicht gut ging. Ich konnte soviel bewirken und es gibt für alles eine Lösung. Bin ganz glücklich bei dem Gedanken. Auch heute wird's wieder Täler geben, aber auch die werd ich irgendwie meistern auf diesem Weg. Also es hat nicht so angefangen, aber es war wirklich ein schöner Tag gestern.
Und dann natürlich noch »House of New Orleans« und Vangelis auf der Orgel in der Abteikirche.
Interessant. Interessant, was Sprache so ausmacht. Oder vielleicht auch nicht. Julie. Laut, und leise. Keine Ahnung, wie. Ach, keine Ahnung von gar nichts. Aber früher hätt mich das umgehauen, wenn ich in der Gruppe gewesen wäre und nichts zu sagen gehabt hätte. Jetzt ist es okay. Wär natürlich geiler, wenn ich die Sprache sprechen könnte. Julie ist schon wirklich nett. Oh Gott, diese alte Herzblattgeschichte. Camino at its finest. Ich bin ein romantischer Klops.
Andererseits kann das Leben nirgends lustiger sein als bei lauten Furzgeräuschen. Auch über Sprachbarrieren hinweg.